Haushaltsrede zur Aufstellung Doppelhaushalt 2024 / 2025

Sehr geehrter Herr Oberbürgermeister Dr. Bader,
sehr geehrter Herr Bürgermeister Riemer,
sehr geehrte Frau Bürgermeisterin Kullen,
liebe Kolleginnen und Kollegen,
sehr geehrte Damen und Herren,

Von den Ergebnissen der Umfrage der Stuttgarter Nachrichten aus diesem Sommer haben sicher alle gehört: „In Kirchheim fühlen sich die Menschen am wohlsten (…) Im Gesamtergebnis, über alle Kategorien hinweg, hat Kirchheim unter Teck am besten abgeschnitten.“

Dieses Ergebnis spiegelt wider, dass die Ausgangslage nicht so schlecht ist, wie man manchmal befürchten könnte. Es zeigt, dass nicht alles falsch gemacht wurde in den letzten Jahren und sich Kirchheim positiv entwickelt hat.

Aber das ist nur ein Stimmungsbild. Kein Grund sich auszuruhen.

Im Gegenteil müssen wir erst recht schauen, dass wir unsere „Problemfelder“ angehen und dazu unsere Haushaltsmittel gezielt, klug und nach Maß einsetzen. Gerade um unser Kirchheim für jeden Einzelnen, jede soziale Schicht, jede kulturelle Ausprägung und jede Altersschicht lebenswert zu erhalten.

Herr Dr. Bader, sie sind in ihrer Rede zur Haushaltseinbringung deutlicher geworden in Bezug auf das im Staatsrecht verankerte Konnexitätsprinzip. Die Aufgaben- und die Finanzverantwortung müssen in einer Hand liegen.

Es ist schon Wahnsinn zu sehen, wie die städtischen Aufgaben permanent zunehmen. Bund und Land verabschieden Gesetze und die Kommunen müssen zusehen, wie sie die neuen Anforderungen bewältigen. So kann es wirklich nicht mehr weitergehen.

Was kann die Stadt tun? Wir müssen uns schon anschauen, welche Stellschrauben wir haben, um die Einnahmen zu erhöhen und die Haushaltslage zu stabilisieren.

Wir können mitgehen bei der von Ihnen, Herr Dr. Bader, vorgeschlagenen Erhöhung der Hebesätze für die Gewerbe- und Grundsteuer. Man muss dazu sagen, dass bereits vor 2 Jahren die Perspektive auf Steuererhöhungen durch die Verwaltung bei den Haushaltsberatungen aufgeworfen wurde. Damals hat man jedoch noch die Finger von der Stellschraube gelassen.

Die derzeitige Situation erfordert eine Anpassung. Wichtig ist uns, dass die neuen Hebesätze im Vergleich mit den anderen Großen Kreisstädten im Landkreis immer noch im Durchschnitt liegen. Kirchheim legte bisher, im Vergleich mit den anderen Städten, eher niedrigere Hebesätze an.

Dann wollen Sie noch die Personalkosten deckeln. Wir halten fest, in den letzten fünf Jahren haben wir 110 zusätzliche Stellen aufgebaut, die Personalkosten haben sich von 32 Mio. € auf 47,3 Mio. € erhöht. Diese Entwicklung muss tatsächlich sehr kritisch betrachtet werden. Es kommt dabei vor allem darauf an, alte Strukturen und Prozesse zu optimieren und zu schauen wo durch Digitalisierung und Automatisierung personelle Einsparungen möglich sind. Dabei würde aus unserer Sicht auch ein Blick von außen durch einen Externen helfen.

Dennoch darf man auch nicht vergessen, dass die Aufgaben stetig steigen, der Betrieb am Laufen gehalten werden muss und Erwartungen der Bevölkerung zu erfüllen sind. Der Personalkörper muss im Stande sein, das alles zu leisten.

Man darf auch nicht vergessen ist, dass in letzter Zeit immer mehr externe Aufgaben dazugekommen sind. Beispielsweise die Ganztagesbetreuung welche von der FBS auf die Stadt übergegangen ist, was alleine 1 Mio. € Personalkosten ausmacht.

Bei einer Deckelung der Personalkosten im Finanzplanungszeitraum werden wir darauf achten müssen, wo es tatsächlich Sinn macht, dass Aufgaben, welche wir bislang selber übernommen haben, an Externe übergeben werden. So können Personalkosten eingespart werden. Was nicht sei darf ist, dass wir uns für eine Deckelung der Personalkosten loben und gleichzeitig die Aufwendungen bei den Dienstleistungen extrem steigen. Das hätte etwas Heuchlerisches.

Ehrenamt

Neben dem Hauptamt gibt es das Ehrenamt. Das Engagement so vieler Menschen in unserer Stadt trägt maßgeblich zu einer funktionierenden Stadtgesellschaft bei. In einer immer individualistischeren Gesellschaft, in welcher viel auf Wachstum und die Zahlen geachtet wird, haben es Vereine schwerer denn je. Wer will sich denn heutzutage noch für ein Ehrenamt committen?

Wir wünschen uns eine noch stärkere Verzahnung und Kooperation zwischen dem Haupt- und dem Ehrenamt. Dabei muss die Ausrichtung stimmen. Menschen, die sich engagieren, müssen Möglichkeiten aufgezeigt bekommen, nicht nur gesagt werden was nicht geht.

Wir setzen uns dafür ein, dass Offenheit, Kreativität und eine gute Kommunikation stattfinden.

Dazu gehört, dass Vereine finanziell unterstützt werden. Oft geht es dabei um 3-stellige oder kleinere 4-stellige Beträge, bei denen es sich die Stadtverwaltung schwer macht. Auf der anderen Seite steigen Baukosten für Kitas mal kurz um Millionenbeträge und da sollen wir dann einfach zustimmen.

Wir könnten uns die Einführung einer Kirchheimer FreiwilligenCard vorstellen, wie sie zum Beispiel die Stadt Ulm hat. Dies wäre eine tolle Form der Anerkennung für Engagierte Bürgerinnen und Bürger.

Außerdem der Aufbau einer Verleih-Plattform auf der städtischen Homepage, damit beispielsweise nicht jeder einen Bohrhammer, Rasentrimmer oder Anhänger braucht.

Auch aus Gründen der Nachhaltigkeit wäre das ein tolle Sache.

Mobilität

Kirchheim ist seit 2012 zertifizierte und seit Ende 2018 rezertifizierte „fahrradfreundliche Kommune“. Ende 2023 wird Kirchheim diese Auszeichnung verlieren, da die erforderlichen Schritte für die Rezertifizierung verschlafen wurden. Es sollte Ansporn sein, wieder mehr für den Radverkehr zu tun.

Wir freuen uns, dass die Bismarckstraße zur Fahrradstraße ausgebaut werden soll und bitten hier dringend darum auch die Bevölkerung, besonders die Anwohner mitzunehmen.

Bereits das Integrierte Verkehrskonzept aus dem Jahr 2015 benennt zwei große Schwachstellen in unserem Radverkehrsnetz: Die Kreuzungen am Gaiserplatz und am Postplatz. Jahr für Jahr finden sich Haushaltsanträge bei mehreren Fraktionen des Gemeinderats für eine Umgestaltung dieser Knotenpunkte. Passiert ist nichts.

Wir fordern an schnellen, von den Kosten her überschaubaren Lösungen zu arbeiten, anstatt auf die „Optimallösung“ ewig zu warten. Umgestaltungen und Änderungen der Fahrbahnmarkierungen müssen in den nächsten 2 Jahren vorankommen.

Von der Initiative FahrRad liegen hierzu bereits Vorschläge vor, die man sich mal anschauen müsste.

Bildung und Jugend

„Es gibt nur eins, was auf Dauer teurer ist als Bildung: Keine Bildung.“

Dieses Zitat stammt von John F. Kennedy. Das mag sicher stimmen… aber es wird immer krasser zu sehen, was uns Bildung tatsächlich kostet.

Wahrscheinlich können sich die aller wenigsten Kirchheimerinnen und Kirchheimer vorstellen, wieviel die Stadt für Bildung ausgibt. In ihrer Haushaltsrede, Herr Dr. Bader, haben sie gesagt, dass der Haushalt eigentlich schon an der Kapazitätsgrenze ist, wenn wir nur den Bildungssektor bedienen.

Wenn die Tannenberg-Kita nach dem vorliegenden Angebot gebaut werden sollte, liegen die Kosten pro Kindergartenkind bei 100.000 € nur für das Gebäude und die Außenanlagen, da sind noch keine Erzieherinnen, Verwaltung etc. dabei…

Wir wünschen uns gerade im Kita-Bereich eine kooperative Zusammenarbeit zwischen der Stadt, den freien Trägern und dem Tageselternverein! Die Vielfalt der Betreuungslandschaft ist es auch, die die Stadt attraktiver macht.

Es ist dringend an der Zeit die Vertragsstrukturen mit den Freien Trägern anzupassen. Die Zusammenarbeit wie wir uns sie vorstellen, soll nicht nur einen Vertrag und die Finanzangelegenheiten beinhalten, sondern auch Kooperationen in Form gemeinsamer Fortbildungen, Austausch von Konzepten und Ideen, sowie den Anschluss an die Fachberatung.

Jugend

Uns ist es wichtig, dass die Stadt Kirchheim nicht nur für Erwachsene attraktiv ist, sondern auch die Jugendlichen ihren Platz haben. Es ist keine Frage, wer am besten weiß, was die Jugendlichen brauchen. Es sind die Jugendlichen selber.

Deshalb finden wir es wichtig, dass das Jugend-Hearing fortgeführt wird. Das letzte fand vor etwa einem Jahr statt. Es ist dabei von großer Bedeutung, dass die beteiligten Jugendlichen auch erfahren, was aus den Vorschlägen und Wünschen wird. Eine jährliche Veranstaltung, ohne Rückmeldung an die Jugendlichen, ohne einer Evaluation reicht nicht aus.

Wir wollen die Jugendlichen nicht verlieren. Auf Grund von Vandalismus wurden einige Schulhöfe nach kontroversen Diskussionen geschlossen.

Umso mehr drängt sich die Forderung auf, neue Aufenthaltsorte für Jugendliche und junge Erwachsene zu schaffen.

Am wichtigsten ist die gegenseitige Toleranz. Jeder war mal jung und jeder kann eventuell nachvollziehen wie es ist, wenn man nirgends so richtig sein darf. Der Öffentliche Raum ist für alle gleichermaßen da.

Damit dies gelingt ist Respekt von Jung und Alt erforderlich.

Kultur

Vor 2 Jahren bei ihrer Rede zur Haushalteinbringung, Herr Oberbürgermeister, sagten sie den folgenden Satz: „Die Stadt ist ein attraktiver Lebensort. Dazu tragen viele Vereine mit einem vielfältigen Sport- und Kulturangebot bei. Auch hier wollen wir in die Zukunft investieren. Das bedeutendste Beispiel ist sicherlich das Kornhaus, für dessen Sanierung wir insgesamt knapp 13 Mio.€ bereitstellen.“

Seit dem hängen metergroße Plakate am Kornhaus. Das Kornhaus wartet darauf endlich saniert und wieder genutzt zu werden.

Die Mittel die damals in den Haushalt aufgenommen wurden sind mittlerweile für neue Kindergärten verplant. Wir können nicht zustimmen die Sanierung des Kornhauses zu stoppen und wieder zu verschieben. Wir sind überzeugt, dass wenn wir es nicht jetzt beginnen, dann wird es nie etwas!

Ihr Vorschlag, dann nehmen wir die Investitionskosten im Nachtragshaushalt 2025 auf, ist falsch und unehrlich. Was soll denn das bringen? Ich kann mir nicht vorstellen, was in einem Jahr an der finanziellen Situation anders sein soll als jetzt. Bestimmt gibt es dann wieder Gründe warum es nicht geht und den neuen Vorschlag das Projekt 2026/27 in den Haushalt aufzunehmen…

Wir sind es den Vereinen, den Kulturschaffenden und einfach allen Bürgerinnen und Bürgern Kirchheims schuldig. Das Kornhaus ist ein identitätsstiftender Ort für Kirchheim.

Es ist Kirchheimer Geschichte, aber soll auch Zukunft in Kirchheim sein!

Wir sind nicht die einzige Stadt, die mit den ständig zunehmenden kommunalen Aufgaben bei der Flüchtlingsunterbringung, im Bereich Bildung und Klimaschutz an ihre finanziellen Grenzen kommt. Andere Städte werden dieselben Herausforderungen bei der Haushaltsplanung haben.

Von 140 Kommunen diejenige zu sein, in der sich die Menschen laut einer Umfrage am wohlsten fühlen ist hervorragend.

Wir wollen gemeinsam zur Weiterentwicklung unserer Stadt beitragen, damit Kirchheim auch weiterhin so lebenswert, offen und vielfältig ist. Eine Stadt in der Respekt und Wertschätzung gelebt wird und auch auf die Acht gegeben wird, die am Rande der Gesellschaft stehen.

Vielen Dank an alle die mit an diesen Zielen arbeiten.

Danke für Ihre Aufmerksamkeit.

für die Christliche Initiative Kirchheim
StR Tobias Öhrlich

 

Anträge:

 

Wir fordern dringend ein Radwegekonzept vorzustellen. Bei der Umsetzung von Maßnahmen sollen schnelle, kostengünstige Lösungen Vorrang haben vor „Optimallösungen“, die noch Jahre auf sich warten lassen.

Wir beantragen die Aktualisierung der Modal-Split-Daten (Verteilung des Verkehrs auf die verschiedenen Verkehrsmittel) und eine Auswertung.

Wir fordern den Sachstand zur Erstellung eines Parkierungskonzepts / Anwohnerparken darzulegen.

Wir beantragen die Finanzierung der Investitionskosten für die Sanierung Kornhaus durch zusätzliche Kreditaufnahme.

Wir beantragen eine Aufstockung der Stellen des Gemeindevollzugsdienstes.

Wir beantragen eine externe Untersuchung der Prozesse und Strukturen innerhalb der Verwaltung für einen gezielteren, optimierten Personaleinsatz.

Wir beantragen nach der Sanierung der Schöllkopfstraße, an dieser Straße die Installation einer neuen Radaranlage zu prüfen.

Wir fordern die Verwaltung auf, aufzuzeigen was getan wird, um in Zusammenarbeit mit den Jugendlichen und jungen Erwachsenen Aufenthaltsplätze zu fördern.

Wir beantragen die Fortführung des Jugend-Hearings und unbedingt eine Auswertung und Feedback an die Teilnehmer der Veranstaltung.

Wir beantragen, dass die MitarbeiterInnen von Kindertageseinrichtungen der Stadt gemeinsame Schulungen mit dem pädagogischen Fachpersonal der freien Träger und des Tageselternverein durchführen. Dies soll dem Austausch und der Zusammenarbeit dienen.

Wir beantragen ein Konzept für eine Kirchheimer FreiwilligenCard als Form der Anerkennung für ehrenamtlich Engagierte, am Beispiel der Stadt Ulm, zu entwickeln.

Wir beantragen zu prüfen, ob die Stadt eine Verleih-Plattform für Dinge des privaten Haushalts anbieten kann (z.B. Anhänger, Bohrhammer, Rasentrimmer, etc.) mit den Rubriken „Suche“ und „Biete“.